Von der Vorgeschichte bis zur «ART 20/1989»
Aufgezeichnet von August Balz Hilt
Basel war nach dem Zweiten Weltkrieg ein sehr guter Galerienplatz, denn die Nachbarn aus Deutschland und Frankreich kauften hier Kunst, weil sie noch eine intakte Kunst- und Galerienszene vorfanden. Ein grosser Teil der Bilder, welche unter Hitler als «entartet» verbrannt werden sollten, befanden sich ja in unserem Kunstmuseum.
Rund 15 Jahre später begannen nun aber immer strenger werdende Zollbestimmungen diesen Handel über die Grenzen hinaus zu erschweren – und zudem wurde die Stadt Zürich als Kunsthandelsplatz zur ernsten Konkurrenz. Ihr internationaler Flughafen zog einen Strom kaufkräftiger Ausländer (vor allem Amerikaner) an.
Unbefriedigt mit unserer Lage, waren wir auf der Suche nach neuen Ideen, um unsere Chancen zu verbessern. Damals, Ende der 60-er Jahre, trafen wir Galeristen uns immer wieder sporadisch zu Gesprächen über unsere Situation und beruflichen Möglichkeiten, die wir oft bei einem gemeinsamen Nachtessen weiterführten. Unsere erste Idee war, in einem gemieteten Lokal z.B. eine Weihnachtsausstellung der Basler Galerien zu veranstalten. Sie versandete, weil sich kein Lokal fand, das unseren Vorstellungen entsprach.
Durch die beschränkten Platzverhältnisse der Kunstmesse von Köln- Düsseldorf und der exklusiven Ausstellerpolitik der dortigen Messeleitung stellte sich uns zudem die Frage, eine zweite, kleinere Messe in Basel zu gründen.
Eine unerwartete Einladung von Siegfried Bröse, damals Direktor des Kunstvereins Freiburg (D), kurzfristig eine Ausstellung in Freiburg zu organisieren, gab der Situation eine neue Wende. Siegfried Bröse war bei allen Basler Galerien ein geschätzter Besucher und Gesprächspartner. So folgten wir gerne seiner Aufforderung, und kurz darauf wurde die Ausstellung unter dem Titel «Europäische Kunst aus Basler Galerienbesitz» eröffnet. Dr. Franz Meyer, damals Direktor des Basler Kunstmuseums, hielt an der Vernissage die Ansprache. Die Ausstellung wurde zum Erfolg.
Eine weitere gemeinsame, ähnlich konzipierte Ausstellung wurde auf Anfrage des Kunsthauses Glarus in Glarus gezeigt. Als Koordinator jener ersten Bestrebungen besitze ich heute noch in der Schreibtischschublade den bald historischen Stempel mit dem Aufdruck «Organisationsstelle der Basler Kunstgalerien».
In Wahrheit bestand aber diese pompöse Organisationsstelle nur noch aus zwei Personen, die sich weiterhin aktiv um das Zustandekommen einer Basler Galeristen-Ausstellung bemühten: Trudl Bruckner und mir. Unsere Kollegen hatten in der Zwischenzeit den Schwung für eine solche gemeinsame Sache verloren. Schliesslich fuhren wir zwei nach Mulhouse (F), um dort über eine eventuelle Zusammenarbeit mit uns Basler Galerien zu sprechen und den Regio-Gedanken nach Mulhouse zu tragen. Am Ende der Sitzung sahen wir ein, dass die Zusammenarbeit mit den Zuständigen
von Mulhouse zu viele Komplikationen mit sich bringen würde. Also wurde der «Plan
2 Mulhouse» wieder aufgegeben. Auf der Rückfahrt nahmen wir uns wieder vor, die Basler Kollegen von der Notwendigkeit einer messeähnlichen Ausstellung hier in Basel zu überzeugen.
Kurz darauf musste ich eine meiner regelmässigen Reisen nach Paris antreten. Am Morgen der Abreise kam mir eine Zeitung in die Hand, in der angekündigt wurde, die Stadt Stuttgart (D) plane die Gründung einer eigenen Kunstmesse. Alarmiert rief ich sofort Trudl Bruckner an und gab ihr die Nachricht weiter. Wir beschlossen am Telefon: «Wenn schon eine neue Kunstmesse, dann aber in Basel!».
Ich beschwor sie, unverzüglich Kontakt mit Herrn H. Hauswirth, dem damaligen Direktor der Schweizer Mustermesse aufzunehmen und ihm das Projekt einer Basler Kunstmesse zu unterbreiten.
Der Moment sei gekommen zu handeln, bevor uns Stuttgart diese Chance vor der Nase
wegschnappe. Nach diesem Telephongespräch nahm ich den Zug nach Paris.
Als offiziell von der Kunstmesse mit diesem Artikel Beauftragter möchte ich hier in aller Klarheit festhalten, dass all die geschilderten, oft mühsamen Schritte, welche schliesslich die Gründung unserer heute so glamourösen «ART» zur Folge hatten, von Trudl Bruckner und mir letztlich im Alleingang und ohne Aufmunterung von irgendeiner Seite unternommen wurde. Ohne unser damaliges persönliches Engagement währe diese Kunstmesse in Basel nie entstanden. Also: Es leben die Dickköpfigen, es leben die Utopisten!
Doch selbst wir zwei Initianten hätten uns in den kühnsten Träumen nicht ausgemalt, dass unsere geplante Kunstmesse sich einmal zur weltweit grössten ihrer Art entwickeln würde. Waren Trudl Bruckner und ich etwa die von einer amerikanischen Zeitung vermuteten «Dunkel- und Hintermänner», welche im Geheimen die Fäden dieser Kunstmesse in den Händen hielten?
Direktor Hauswirth nahm die Idee einer Basler Kunstmesse sofort mit Wohlwollen auf. Erst als jetzt unsere so schwer beweglichen Kollegen von der Bereitschaft der Messeleitung zur Durchführung einer Kunstmesse hörten, liessen sie sich zur Mitarbeit gewinnen. Uns schlossen sich nun noch die folgenden Basler Galerien an:
Der bis zuletzt skeptische Ernst Beyeler, Marie-Suzanne Feigel (Galerie d’Art Moderne), Felix Handschin und als Gast Pierre Gürtler (Katakombe).
Wir hatten das Glück, in Herrn Prof. Dr. Herbert Cahn, (Münzen- & Medaillen AG, damals Präsident der Schweizer Kunst- und Antiquitätenmesse / KAM), von Anfang an einen erstklassigen Berater zu gewinnen.
Dann anerbot auch der von allen hochgeschätzte Dr. Franz Meyer spontan seine beratende Mitarbeit. Laut Protokoll waren an der 2. ART-Sitzung vom September 1969 folgende Teilnehmer anwesend:
Aus der Basler Kunst- und Galerienszene
- Ernst Beyeler ( Galerie Beyeler)
- Trudl Bruckner (Galerie Riehentor)
- August Balz Hilt (Galerie HILT)
Als Berater
- Prof. Dr. Herbert Cahn (KAM)
- Carl Einsele (Verlag Birkhäuser)
- Dr. Franz Meyer (Kunstmuseum)
Vertreter der Schweizer Mustermesse
- Dr. Emil Bammatter (Vizedirektor)
- Jürg Böhni (Werbung)
- Hermann Hauswirth (Direktor)
- G.E. Kindhauser (Direktor Messen)
- A.J. Mäder (Direktor Finanzen und Verwaltung)
- W. Maisenhölder (Technische Dienste)
- Dr. M. Trottmann (Presse)
Man beschloss, einen beratenden Ausschuss (Aussteller-Beirat) zu gründen, in den auch die drei Anwesenden Galeristen gewählt wurden. Die Galeristen sollten Kollegen für die Teilnahme an dieser neuen Messe anwerben. Der Termin der ersten Basler Kunstmesse wurde definitiv auf JUNI 1970, also im nächsten Jahr, festgesetzt. Wir wählten dieses Datum wegen der im Herbst stattfindenden Messe von Köln/Düsseldorf, und weil wir die Messe noch vor den Sommerferien abhalten wollten. Die Messedauer wurde auf fünf Tage festgelegt, da grosse ausländische Galerien diese kurze Dauer zur Bedingung ihrer Teilnahme gemacht hatten. Prof. Cahn und ich votierten für eine Messe, die sich über zwei Sonntage erstreckt (analog zur KAM), aber wir wurden überstimmt. Noch
heute bin ich der Ansicht, dass eine Messe, die zwei Sonntage umfasst, kleinen und mittleren Galerien einen wesentlichen Umsatzzuwachs bringen würde.
Zu den Basler Gründern kamen später noch die folgenden Persönlichkeiten dazu:
Schweiz
- Jörn Kübler (Galerie Maeght, Zürich)
- Maurice Ziegler (Galerie Ziegler, Zürich-Genf)
- Anne Rotzler ( Gimpel & Hannover, Zürich)
- Willy Jäggi (Helbing & Lichtenhahn, Basel)
Deutschland
- Friedrich W. Kost (Galerie Regio, Freiburg i. Breisgau)
- Dr. F. Valentien (Galerie Valentien, Stuttgart)
Italien
- Lucio Amelio (Modern Art Agency, Napoli=
Spanien
- Juana de Mordo (Galeria Juana de Mordo, Madrid)
Frankreich
- Denise René (Galerie Denise René, Paris)
Holland
- Will Hoogstraate (Galerie d’Eendt, Amsterdam)
Grossbritannien
- Annely Juda (Annely Juda Fine Art, London)
Amerika
- Robert Elkon (Robert Elkon Gallery,New York)
- Leo Castelli (Gallery Leo Castelli, New York)
Israel
- Herbert Goldman (Goldman’s Art Gallery, Haifa)
Da auch noch ein Plakat für die Messe entworfen werden musste, trat ich mit unserem international bekannten Herbert Leupin in Verbindung. Er löste das Problem der Mehrsprachigkeit, indem er das international verständliche Emblem «ART» gestaltete.
Eine Idee, welche seither mehrere andere Kunstmessen übernommen haben. So erhielt die ART zugleich mit ihrem ersten Plakat auch ihren Namen. Den ersten «ART»-Katalog gestaltete der Basler-Tessiner Aldo Codoni.
Die erste ART-Vernissage fand am 11. Juni 1970 in der seither abgerissenen «Basler Halle», damals Halle 8 der Mustermesse statt.
Vor dem Eingang standen eine Skulptur von Bernhard Luginbühl und eine ca. sechs Meter hohe Skulpturengruppe («Saltinbanques») meines Künstlers Kurt Laurenz Metzler. Ich zeigte die erste und damals auf der Messe einzige «One Man Show» mit dem Maler Francis Bott. Bott arbeitete vorher monatelang bei mir in der St. Alban-Vorstadt 52 an den Bildern für die Kunstmesse. Meine Ausstellung war erfolgreich, aber andere Galeristen zeigten sich am Ende der Kunstmesse bitter enttäuscht über deren Resultat.
Zum ersten ART-Rendez-Vous, das in den letzten 20 Jahren zur Tradition wurde, öffnete Dr. Franz Meyer für uns die Räume des Kunstmuseums.
Anschliessend an die Vernissage drüben in der Mustermesse traf man sich also im Kunstmuseum, flaniert in den Gängen und sass auf den Treppen. Für die Gäste war ein Buffet vorbereitet, und es wurden Getränke serviert.
Für alle, die damals dabei gewesen sind, bleibt dieses «Eröffnungs-ART-Rendez-Vous» im Kunstmuseum unvergesslich. Somit war der lange Reigen der Basler Kunstmessen eröffnet.
Folgende Zahlen zeigen, dass sich die Kunstmesse sehr rasch beträchtlich ausweitete, was dem ursprünglichen Konzept des Aussteller-Beirat nicht ganz entsprach, denn dieser hatte die Messe langsamer wachsen sehen wollen.
m2 | Standfläche Schweizer Aussteller | Aussteller Ausland | Besucherzahlen | |||
ART 1/1970 | 3‘444 | 40 | 70 | 16‘300 | ||
ART 2/1971 | 3‘880 | 52 | 80 | 21‘500 | ||
ART 3/1972 | 7‘400 | 64 | 146 | 28‘300 | ||
ART 19/1988 | 15‘084 | 69 | 249 | 60‘244 |
Schon die dritte «ART» wurde der grossen Nachfrage an Standplätzen wegen in die Rundhofhalle
verlegt. Anlässlich der «ART 4/1973» fand der Einbezug des 1. Stockes der Rundhofhalle statt.
An dieser 4. Kunstmesse zeigte die Galerie Beyeler im 1. Stock eine Ausstellung mit dem Titel
«USA Artists». Ihre Ausstellung war das Vorbild für die Länderschauen, die an der «ART 5/1974»
mit einer Länderschau von Italien unter dem Titel «Sonderschau ITALIA» begonnen wurde.
Nach dem Wechsel in der Messeleitung 1971 kam unter der neuen Direktion manches anders,
als ich als Basler Galerist es mir wünschte. Nicht nur mir, auch dem Aussteller-Beirat und manchen
Ausstellern missfiel die aggressive Expansionspolitik der Messeleitung. Durch die ständige
Vergrösserung der Messe wurde es für den Besucher unmöglich, in einem Tag alles abzugehen.
Viele Galerien mussten aus Zeitmangel ausgelassen werden – und diese freute das wenig. Um
dieser Expansionspolitik entgegenzusteuern, die sich letztlich gegen die Interessen der Aussteller
wendete, veranlasste ich die Gründung eines Ausstellervereins. Von Seiten der Messeleitung
wurde uns klar gemacht, die Gestaltung dieser Kunstmesse sei Sache der Mustermesse, wir Mitglieder
des Aussteller-Beirates hätten nur eine künstlerische Beraterfunktion.
Ziel meines Ausstellervereins sollte sein, die Ausstellerinteressen gegenüber der Messeleitung
wirksamer durchsetzen zu können. Man wollte sich am Ende der Messe zu einem Gespräch treffen und aus den Erfahrungen Schlüsse ziehen und diese an die Messeleitung weitergeben.
Zu unserem ersten Präsidenten wählten wir Herrn Dr. Lotz (Basel). Als uns dann aber der eigene Vereinspräsident von der Mustermessedirektion abgeworben wurde, nahm mir diese Tatsache die Lust, weiterhin für die Interessen von uns Galeristen zu kämpfen. Ich machte von diesem Zeitpunkt an in unserem Ausstellerverein nicht mehr mit, und dessen
Aktivitäten schliefen auch kurz danach wieder ein.
Da ich ferner meine Haupt-Galerietätigkeit für zehn Jahre nach Zürich verlegte, nahm ich in den letzten Jahren an der «ART» nur noch sporadisch teil.
Ich konnte in den ersten Jahren der «ART» den jungen Pariser Galeristen Daniel Gervis dazu motivieren, in Basel teilzunehmen. Entgegen seiner Erwartungen hatte seine Ausstellung bei uns gar keinen Erfolg, obwohl er der Überzeugung war, unser Kunstmuseum sollte mindestens eine der von ihm an der ART gezeigten Plastiken erwerben.
Nach dieser Enttäuschung an unserer Messe sagte er mir erbost, nun wolle er in Paris eine eigene gründen, was er auch tat: So kam es zur Gründung der mittlerweile berühmten «FIAC» von Paris..
Es ist wohl in erster Linie der günstigen geografischen Lage Basels zu verdanken, dass diese Messe bis heute so positiven Aufschwung erlebte. Aber zum Erfolg trugen auch wesentlich der hervorragende Einsatz des kompetenten Mitarbeiterstabes und Organisationsteams, und nicht zuletzt die Verdienste unseres geschätzten Dr. Emil Bammatter bei.
Auch der Basler Bevölkerung sei an dieser Stelle gedankt, deren Liebling die «ART» in der Zwischenzeit geworden ist. Die Basler unterstützten das Gelingen der Kunstmesse spontan mit ihren Einladungen an Künstler und Galeristen und schufen so die zum Erfolg nötige Atmosphäre.
August Balz Hilt, im Februar 1989